In Knut Mellenthins neuestem Artikel in der Jungen Welt über "antimoslemische" Blogs steckt folgender wahrer Kern, umgeben von falschen (äh ... 's spät): Es gibt Menschen, die in der Kritik an radikalen Muslimen ein Alibi für ihren Hass gegen alle Muslime sehen, der dann gelegentlich auf PI & Co. zu Schrift wird (obwohl ich keines der von Mellenthin genannten Zitate referenzieren konnte und sie alle so klingen, als ob sie nicht von Herre (der Autor von PI), sondern von PI's Kommentatoren stammen, was in Bezug auf die im Artikel angesprochene angemessene Distanz zwischen Herre und Broder eine entscheidende Information ist). Also: Knut Mellenthin hat recht. Würde er Greg Grabinskis Blog lesen, so hätte er schon vor zwei Jahren recht haben können.
Der Rest seines Artikels (die Islamophobie-Israelphilie-Sache) war vermutlich irgendwie ironisch gemeint, auf einer Ebene, die ich nicht richtig verstehe. Ich schätze, der Witz liegt darin, dass er SPON wegen der (nicht falschen, aber) missverständlichen Wiedergabe einer Statistik über die Gewaltbereitschaft von Moslimen in Deutschland "im juristischen Sinne Volksverhetzung" vorwirft, um anschließend Wilders, Broder und überhaupt alle konservativen und liberalen Freunde Israels in den Topf werfen zu können, der eigentlich für die völkische Rechte gedacht war. Habe ich das eben mit 'o' geschrieben? Der antifaschistische Höhepunkt seines Artikels erstrahlt in folgenden Sätzen:"Und Israel? Israelische Politiker sind vor allem Pragmatiker. Antimoslemische Tiraden sind nicht Teil der israelischen Regierungspolitik. Selbst die extreme Rechte Israels greift in der Regel nicht den Islam als Religion und die Muslime als weltweite Glaubensgemeinschaft an, sondern gezielt die Palästinenser, allenfalls die Araber insgesamt. Das schließt allerdings, wie unter anderem die Beispiele Fini und Wilders zeigen, nicht aus, daß man aus ebenso pragmatischen Gründen mit fast allen Spielarten des Antimoslemismus paktiert."
Israeltechnisch gesehen ist das schon ein echter Fortschritt, denn es zeigt, dass Knut Mellenthin erkannt hat, dass die Old-School-Israelkritik (plakativ, unbegründet, hart, falsch, mit Halbwahrheiten und Nazi-Vergleichen gespickt, die allerdings durch gelegentliches Zitieren von Alibi-Juden kompensiert werden) zu einer rhetorischen Geste ohne Inhalt verkommen ist. Aber ohne die Frage "Und Israel?" bei jeder unpassenden Gelegenheit geht's trotzdem nicht. Knuth Mellenthin in der U-Bahn: "Und Israel?" Knuth Mellenthin auf der Zugspitze: "Und Israel?" Knuth Mellenthin im Fernsehgarten: "Und Israel?" ... Ich hoffe es wird klar, auf welche Problematik ich hinweisen möchte: Ein Autor, der einen Artikel mit einer legitimen Kritik an handwerklichen journalistischen Fehlern in einem SPON-Artikel beginnt und mit falschen Belehrungen über Israels politische Landschaft beendet, sollte etwas mehr Yoga machen.