Donnerstag, 1. Januar 2009

Ça va, Professor Steinbach?

Wenn im Wald ein Baum krachend umfällt und niemand ist da, um es zu hören, sind dann trotzdem die Juden schuld? Wenn es Israel nicht gäbe, hätten sich dann die Beatles getrennt? Hätten Silvesterbälle wieder Klasse? Matratzen wieder Federn? Vaduz einen Bahnhof?

Prof. Udo Steinbach gehört nicht zum Kreis jener Personen, denen es ohne Israel besser ginge – zumindest finanziell. Vielleicht würde er sich besser fühlen, vielleicht würden ihm wieder Haare wachsen, vielleicht hasst er im Grunde seinen Job und wartet nur darauf, dass Israel verdampft, damit er genug Zeit hat, um sich die Fußnägel zu schneiden, um sich beim Auftritt im RTL-Dschungelcamp nicht zu blamieren – doch rein finanziell geht es ihm dank Israel sicher nicht schlecht. Seine Branche ist Krisenresistent, Nahostexperten kennen keine Rezession, irgendein profilneurotischer Moderator hat immer das Bedürfnis, wahnsinnig intelligente Fragen zur neuesten „Eskalation im Nahen Osten“ zu stellen. Deshalb verstehe ich nicht, warum einige seiner Bemerkungen den Eindruck hinterlassen, dass er ein latenter Antisemit ist, falls diese Differenzierung etwas bedeutet. In den vergangenen Wochen hat vermutlich jeder Pfarrer jene Geschichte des Lukasevangeliums vorgelesen, die in der Übersetzung Martin Luthers mit „Die Gefahr des Reichtums“ überschrieben ist, um anschließend den Spendenkorb durchzureichen. Pfarrer dürfen das, denn sie sind keine Banker. Udo Steinbach redet von der Gefahr, die von Israel ausgeht (und ausschließlich von dieser Gefahr), um anschließend als Nahostexperte bezeichnet zu werden. Er darf das eigentlich nicht, denn er ist Professor; seine Ansichten sollten nicht gewagt, emotionsgeladen und voreingenommen, sondern analytisch, informiert und differenziert sein (ja, das sollte man von Professoren schon erwarten dürfen). Die folgenden Zitate der letzten Tage belegen, dass er von diesen Spielregeln nichts hält:
1.) Die Ursache

«[Die Hamas] wusste, was geschehen würde, als sie den Waffenstillstand Mitte Dezember für beendet erklärte und die Raketenangriffe auf Israel wieder aufnahm, aber die tiefere Ursache liegt bei den Israelis. Mit den wirtschaftlichen Sanktionen haben sie der Hamas im Gazastreifen nie eine Chance gegeben, dort eine stabile Regierung herzustellen.»

2.) Die Entfesselung
„Können Sie mir sagen, wie unter den gegeben Bedingungen eine Intifada entfesselt werden soll? In Gaza ist das undenkbar, in den besetzten Gebieten auch. Aber wo wir Ansätze zum Wiederstand sehen, Ansätze zum Aufstand, das sind die arabischen Staaten …“

3.) Die Radikalisierung
„Wir müssen immer wieder zurückgehen zu den palästinensischen Wahlen im Jahr 2006, da hat es einen Wahlsieger gegeben, der Wahlsieger ist von der internationalen Gemeinschaft, von Israel, von Europa, von den vereinigten Staaten nicht akzeptiert worden, und das war der Beginn einer Radikalisierung …“

Im ersten gibt er den Juden die Schuld an Angriffen gegen die Juden, da diese sich weigern, ihre Angreifer zu unterstützen, im zweiten verwendet er eine Metapher, hinter der sich die Meinung verbirgt, der Kampf gegen Israel sei der natürliche Grundzustand der Palästinenser und beim letzten fragt man sich, was die Hamas bis 2006 war.

http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1241518.html
http://www.youtube.com/watch?v=09e3dplyJI0