Wenn Jenny Hoch Journalismus für SPON macht, klingt das etwas anders als die glattgebügelten Faktensammlungen im Stil von "Wohin flossen die Flick-Millionen?". Hoch ist eine Freundin guter Romane, die ich dafür bewundere, dass sie es geschafft hat, journalistische Arbeit und den Lebensstil einer Hausfrau zu kombinieren, in dem sie irgendwie die Chefs von SPON davon überzeugen konnte, sie wahlweise für eloquentes Geschwätz über die neuesten Schmöker, Fernsehsendungen oder YouTube-Filmchen zu bezahlen. Sie lebt quasi meinen Traum. Doch Jenny Hoch hat auch eine unbequeme Seite -- etwas, das mir an ihr missfällt: Es scheint, als ob sie jeden Monat zur gleichen Zeit einen ganz schlimmen Rappel bekommt. Im vergangenen Monat waren die Aristokraten an der Reihe, diesmal sind es die Amerikaner; vermutlich hat sie eine Liste. Ihr Artikel, der als Kritik an Sarah Silvermans Fernsehshow auf dem deutschen Comedy-Central-Kanal beginnt, entpuppt sich als antiamerikanisches Donnerwetter. Hoch meint: "Die derben Tabubrüche der 37-Jährigen kommen in den USA blendend an. Es sieht fast so aus, als sei das Land nach Jahren der Doppelmoral unter der Bush-Regierung reif für ihren herzhaft aufklärerischen Humor. Denn Sarah Silverman entlarvt mit ihren Witzen die Oberflächlichkeit, Selbstbezogenheit und Bigotterie ihrer Landsleute."
Einen Satz mit "es sieht fast so aus" zu beginnen ist ja schon mal eine sprachliche Meisterleistung, vor allem dann, wenn sich der Tatbestand, auf den sich das Wort "es" bezieht -- hier also Silvermans derbe Tabubrüche, die blendend ankommen -- völlig hohl ist. Da Silverman die Sendeplatznachfolgerin von Chapelle ist, hätte sich Hoch wenigstens die Mühe machen können, die Derbheit der Tabubrüche und die Blendung des Ankommens mit denen der Chapelle-Show zu vergleichen. Daraus ließe sich nämlich eventuell die Einsicht gewinnen, dass "das Land" schon ein paar Jahre vor Silverman "reif" für einen "herzhaft aufklärerischen Humor" war. Immerhin ist "das Land" ja das Land, aus dem Lenny Bruce und die Mothers of Invention kamen. Ganz zu schweigen von der Frage danach, worin die Doppelmoral der "Bush-Regierung" lag: Der Versuch, die soziokulturelle Dimension des Erfolgs einer Komikerin in einem Essay mit dem Titel "Fürze mit Würze" zur Sprache zu bringen wäre auch dann zum Scheitern verurteilt gewesen, wenn sich die Autorin um eine Differenzierung zwischen der "Bush-Regierung" und Sarah Silvermans Landsleuten bemüht hätte. Nur weil Peer Steinbrück ein oberflächlicher, selbstbezogener und rechthaberischer Psychopath ist (im Gegensatz zu Bush ist er auch noch ungebildet und erfolglos), würde ich nicht behaupten, dass sich diese Eigenschaften auf meine Landsleute übertragen (ok, ich tue es trotzdem (aber zumindest weiß ich, dass es nicht ganz richtig ist (außerdem: ich darf das, denn ich wohne hier; doch beim Lesen von Hochs Artikel spüre ich diesen Hauch von Rassismus)).
Dabei möchte ich ihr zu Gute halten, dass es überhaupt nicht einfach ist, innerhalb weniger Stunden einen guten Artikel zu schreiben. Ich schreibe jetzt schon seit 30 Minuten und finde das Ergebnis ziemlich dürftig. Und für einen Artikel, der sich auf eine neue Fernsehsendungen bezieht, besteht vermutlich ein viel größerer Zeitdruck als für Artikel über irgendwelche historischen Ereignisse. Außerdem ist es wirklich schwer, mehr als zwei Sätze über Sarah Silverman zu schreiben, denn sie ist halt kein Genie wie Lenny Bruce oder Steve Martin; ihr claim to fame besteht darin, dass viele Menschen (insbesondere viele Deutsche, wie Gideon Böss einmal bemerkte) die Begriffe "schockierend" und "witzig" verwechseln. Vor etwa zehn Jahren war Sarah Silverman tatsächlich witzig und kreativ, doch seitdem sie erkannt hat, dass die Hochzeit mit einem prominenten Hollywood-Schnösel mehr Ruhm akkumuliert als kluge Witze, gibt sie sich einfach keine richtige Mühe mehr (oder vielleicht gehen einem nach zehn Jahren "im Geschäft" unweigerlich die Ideen aus).
Im übrigen gebe ich Jenny Hoch recht, wenn sie die "gnadenlose durchsynchronisierung" der Show bemängelt, obwohl das Problem genaugenommen darin besteht, dass die Show gnadenlos schlecht durchsynchronisiert wurde. Die Synchronisierung wäre gerade gut genug fürs Teleshopping oder die Softpornoindustrie, aber für eine Art Sitcom ist sie nicht gut genug, um den Wert der Witze zu erhalten.