Montag, 24. März 2008

Tibet, Hobbes & Postel

Ein guter Zeitpunkt für Kritik am Dalai Lama war die letzte Woche im Juli letzten Jahres. Damals besuchte Herr Lama Hamburg; die Berichterstattung war einseitig, falsch und dumm. Liza wies damals zu Recht darauf hin. Heute sieht die Sache etwas anders aus:

1.) Man kann SPON & Co. nicht vorwerfen, dass das Angebot an Informationen über die Lage in Tibet mangelhaft ist, wenn alle Journalisten gezwungen werden, die Region zu verlassen.

2.) Diese ewige Nörgelei zahlreicher Blogger darüber, dass einschlägige Medien willkürlich irgendwelche Themen hochkochen, während andere vernachlässigt werden, geht mir auf die Eier. Als ob die wissen, an welcher Stelle das Huhn kam. David Ben-Hame schreibt: "Über die Doppelmoral und die umwerfende Heuchelei einiger Europäer, die China verunglimpfen, das chinesische Volk beleidigen und zum Boykott aufrufen, lässt sich einfach sagen: fangen wir gleich mit u.a. Iran, Kuba, Ägypten, Saudi-Arabien, der Hälfte Afrikas und Südamerikas an, Länder die täglich und ohne Medienrummel schwere Menschenrechtsverletzungen begehen." Mit dem gleichen Argument könntest Du auch den Irak-Krieg in Frage stellen. Habe doch einfach etwas Geduld, jeder kommt mal an die Reihe.

3.) Wir wissen, dass der Dalai Lama eine Ideologie vertritt, die mit unseren freiheitlichen Grundwerten nicht vereinbar ist. Ja, Buddhisten mögen mentale Probleme haben, aber zumindest sprengen sie sich nicht in Cafés in die Luft. Spielt dies eine Rolle bei der Entscheidung darüber, ob man sich für Tibet einsetzt oder nicht, wenn die chinesische Regierung grundlegende Freiheitsrechte der Tibeter verletzt? Dies gipfelt in der Frage, ob es besser ist, ein Idealist zu sein, der sich erst dann für die Freiheitsrechte anderer Menschen einsetzt, wenn deren Ansichten 100%ig Hobbes-kompatibel (besser: Paine) sind, oder ob Pragmatismus nicht schneller zum gewünschten Ergebnis führt, auch wenn man dabei evtl. Ideen Legitimität verleiht, die nicht so ganz Hobbes-kompatibel sind. Konkret heißt das: Lieber helfe ich dem Lama, als eine Chance ungenutzt zu lassen, einen Teil der Menschenrechtsverletzungen in China zu beenden. Das ist eine weitere Anwendung von Postels Gesetz: "Sei konservativ in dem was Du tust, sei tolerant in dem was Du von anderen akzeptierst."

Informatives:
Über die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bloggern:
http://www.slate.com/id/2186787/

Über die chinesische Meinung zum Thema Meinungsfreiheit:
http://boycott2008games.blogspot.com/2008/03/chinese-dissident-jailed-for-five-years.html
http://www.iht.com/articles/ap/2008/03/19/asia/AS-GEN-China-Tibet-Media.php
http://www.theatlantic.com/doc/200803/chinese-firewall
http://rconversation.blogs.com/rconversation/2008/03/tibet-is-discus.html

Bewaffnete Soldaten tragen ein Banner mit der Aufschrift "Für die allumfassende Bedeutung der Nation":
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,543086,00.html

Kritik am Dalai Lama:
http://www.welt.de/welt_print/article1067577/Keine_Religion_des_Friedens.html
http://hiram7.wordpress.com/2008/03/21/aus-gegebenem-anlass-der-dalai-lama-ein-wolf-im-schafspelz/
http://www.lizaswelt.net/2007/07/der-freundliche-skinhead.html

Die Meinung des Dalai Lamas zum Thema Meinungsfreiheit und Gewalt:
http://tenementpalm.blogspot.com/2007/04/engaging-chinese-people-quick-and-dirty.html
http://www.chinanowmag.com/interview.htm

("We should also remember that once we cultivate a compassionate attitude, non-violence comes automatically. Nonviolence is not a diplomatic word, it is compassion in action. If you have hatred in your heart, then very often your actions will be violent, whereas if you have compassion in your heart, your actions will be nonviolent. As I said earlier, as long as human beings remain on this Earth there will always be disagreements and conflicting views. We can take that as given. If we use violence in order to reduce disagreements and conflict, then we must expect violence every day and I think the result of this is terrible. Furthermore, it is actually impossible to eliminate disagreements through violence. Violence only brings even more resentment and dissatisfaction. Nonviolence, on the other hand, means dialogue, it means using language to communicate. And dialogue means compromise: listening to others’ views, and respecting others’ rights, in a spirit of reconciliation. Nobody will be a 100 percent winner, and nobody will be a 100 percent loser. That is the practical way. In fact, that is the only way.")

Warum die olympischen Spiele der perfekte Ort für politische Proteste sind:
http://www.slate.com/id/2187280/

Crackpots & Nazis:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/316/blutige-niederschlagung-oder-pogrom
http://www.jungewelt.de/2008/03-22/026.php
http://www.freace.de/artikel/200710/291007a.html
http://f25.parsimony.net/cgi-bin/topic-flat.cgi?Nummer=63498&Phase=Phase1&ThreadNummer=52014
http://de.altermedia.info/general/viel-larm-um-nichts-olympia-boykott-wegen-tibet-220308_13394.html#more-13394